07.
Dezember
Es
fing damit an, dass wir um acht mit Lamisi (einer unserer
Lehrerinnen) verabredet waren, um zusammen zu den Wahlen zu gehen.
Sie kam ein bisschen zu spät, aber das machte nichts, wir haben uns
draußen unter den Baum gesetzt, nachdem uns fertig gemacht hatten.
Es war irgendwie ganz ruhig (Janina nannte es die „Ruhe vor dem
Sturm“, und damit hatte sie absolut Recht!) und mir kam es vor, wie
Urlaub, weil alle frei hatten und so viel Besuch da war. Die
Temperatur im Schatten war gerade richtig, es war ein bisschen wie
Sommer in Deutschland. :)
Als
Lamisi dann kam, sind wir auch direkt los zum „Wahllokal“. Ihres
war an der Polizeistation. Als wir ankamen, standen da schon ganz
viele Leute in einer Schlange. Wir haben uns erstmal auf eine Stufe
vor das Gebäude gesetzt. Überall liefen Leute rum und wir haben
einen Mann getroffen, dem wir gestern schon bei Charity Zuhause
getroffen haben. Er dachte, wir würden ihn nicht wiedererkennen,
haben wir aber doch. :) Sein Name ist Francis und er wohnt eigentlich
in Wenchi. Er hat an dem Tag, als wir dort im Gottesdienst waren,
Keyboard gespielt und konnte sich noch daran erinnern, dass Daniel
Geburtstag hatte! :D Die Welt ist klein.
Lamisi
hat sich nach ner Weile auch in die Schlange gestellt, aber es hat
sich voll gezogen! Als sie nach sehr langer Zeit ungefähr bei 1/3
angekommen ist, hat sie die Schlange verlassen und sich zu uns
gesellt. Später, als ihr Platz fast bis ganz vorne vorgerückt war,
hat sie sich wieder dort angestellt. Wir haben zugesehen, wie sie
zuerst eine Karte gezeigt hat, die sie als wahlberechtigt ausweist.
Dann musste sie ihren Fingerabdruck verifizieren lassen und danach
ihren kleinen Finger in eine Tintendose tunken. Diese ganzen
Vorsichtsmaßnahmen sind wohl nötig, weil in der Vergangenheit immer
wieder geschummelt wurde. Später habe ich im Radio gehört, dass es
wohl vielerorts Probleme gab mit den Maschinen, die die
Fingerabdrücke verifizieren und dass deshalb einige gar nicht wählen
konnten! Oh Mann.
Jedenfalls
hat Lamisi danach den ersten Wahlzettel bekommen, der für die
Parlamentswahl war. Den hat sie hinter einem Pappkarton, der mit
großen Steinen aufgestellt war (die Wahlkabine), ausgefüllt. Die
Wahlen werden durch einen Fingerabdruck abgegeben, wie Janina und ich
gestern im Fernsehen gesehen haben. Nachdem sie den Zettel in die
passende Urne gesteckt hat, kam die Präsidentschaftswahl dran.
Als
sie alles hinter sich gebracht hat, sind wir mit ihr in die Stadt
gegangen. Sie wollte sich nämlich noch die Haare machen lassen und
wir hatten ja nichts zu tun und wollten das uns gerne mit ansehen.
Unterwegs sind wir einer Frau begegnet, die süßes Gebäck verkauft
hat. Ich wollte mir welches holen, aber Lamisi hat uns welche
ausgegeben. Superlecker! Wir haben noch John's Schwester (der, der
uns am Anfang durchs Dorf geführt hat) getroffen, die wir ganz am
Anfang schonmal kennengelernt haben und haben einen kleinen
Zwischenstopp in ihrem Laden gemacht (sie verkauft Haare und
Pflegemittel). Dort haben wir Wasser getrunken und sind dann weiter
zu Lamisis Friseurin. Dort wurde gerade noch eine andere Frau
frisiert. Wir haben uns dazu gesetzt und zugesehen. Die einzelnen
Haarteile wurden richtig an die Kopfhaut angenäht, wo die echten
Haare schon vorher drangeflochten waren. Sah sehr witzig aus.^^
Danach war noch eine andere Frau dran, aber wir waren das ganze
Sitzen leid und so sind wir erstmal wieder gegangen, weil Lamisi
meinte, wir müssen Pito probieren. Das ist ein typisch ghanaisches
alkoholisches Getränk. Also dachten wir, das müssen wir zumindest
mal probiert haben. Wir sind in einen Hof gegangen, der wie bei einem
normalen Wohnhaus aussah. Da saßen aber ganz viele Menschen drin und
alle hatten eine Schüssel mit Pito in der Hand. Die Schüssel sahen
aus, wie die Schale von einer Frucht und die Flüssigkeit sah ein
bisschen wie Bier aus. Ich glaube, Pito ist auch so etwas ähnliches
wie Bier. Wir haben uns hingesetzt und auch eine Schüssel gekriegt.
Das schmeckte aber nicht so lecker, ziemlich sauer. Lamisi sagt, dass
sie eigentlich die nichtalkoholische Variante wollte, die süß
schmeckt, aber die war wohl alle. Müssen wir also ein andern Mal
probieren. Danach sind wir noch in die Stadt zu einer Bar gegangen
und Lamisi hat uns noch eine Cola spendiert. Da war es ungefähr 12
und langsam wurden wir hungrig. Wir haben ausgemacht, dass Janina und
ich erstmal nach Hause gehen und Mittag essen und dann zurück zu dem
Friseur gehen. Lamisi ist solange schonmal zum Friseur gegangen.
Zuhause
haben wir Joloff Rice mit Spaghetti gegessen und dann haben wir uns
ein bisschen ausgeruht. Janina war voll müde und hat ein bisschen
geschlafen. Als ich grade am Gitarre spielen war, kam Duston rein. Er
trug eine komische Brille aus Fensterglas und ich hab ihm gesagt,
dass das nicht gut aussieht! :D Aber er hat gesagt, er trägt die eh
nur zum Schutz gegen den Fahrtwind, weil er jetzt zurück nach Tamale
fährt, Dabei hat er letztens doch noch gesagt, dass er erst Sonntag
fährt! o.O Naja, er meinte, dass er morgen wieder arbeiten muss. Er
hat mir verboten, Janina zu wecken, um ihm Tschüss zu sagen und dann
ist er weg. Nach kurzer Zeit habe ich Janina aber doch geweckt, weil
wir dann so langsam mal wieder zu Lamisi mussten. Wir haben auf dem
Weg noch Duston auf seinem Moto getroffen, der gerade vom Tanken kam,
so konnte Janina ihm auch noch Tschüss sagen. Den Weg zum Friseur
haben wir nicht mehr ganz gefunden. Zuerst sind wir im Kreis
gegangen, weil uns ein Mann einfach wieder zurück zur Hauptstraße
geschickt hat. Da haben wir aber nochmal nachgefragt, und eine Frau
wusste, wo der Laden ist und hat uns hingeführt. Dort saß Lamisi
schon und hatte die Haare nach allen Seiten abstehen! :D Wir haben
ihr gesagt, dass sie das so lassen soll, aber sie hat gelacht und
gesagt, dass sie die so glatt und weich machen möchte wie unsere
Haare! :D Die Friseurin hat ihr eine Creme sehr sorgfältig in die
Haare geschmiert, das sah sehr lustig aus.^^ Dann musste das erstmal
einwirken. Die ganze Zeit, während wir gewartet haben, kamen Leute
und haben sich mit uns bzw. mit Lamisi und der Friseurin unterhalten.
Das ganze fand nämlich draußen statt und war irgendwie eine
gemütliche Runde. Da war auch eine Frau mit einem Baby, das ganz
speckig war. Der Kleine hieß glaub ich Felix oder so ähnlich und
Janina und ich haben ihn beide auf den Schoß genommen. Der hatte gar
keine Angst und war so süß!
Nach
einer Weile wurde Lamisi die Haare ausgewaschen und dann mit
Lockenwickler aufgewickelt. Während Lockenwickler bei uns die
Funktion haben, die Haare zu locken, dienen sie hier dazu, sie glatt
zu machen. Damit war Lamisi erstmal fertig. Wenn ihre Haare
getrocknet sind, würde sie wieder zurück kommen. Wir sind nach
Hause gegangen und sie ist auch nach Hause. Aber sie meinte, wenn sie
morgen Zeit hat, kommt sie vielleicht nochmal vorbei.
Linanturin
kam rein und hat gesagt, dass
wir Besuch von einem Lom oder Christian hätten, der draußen wartet.
Ich konnte mich an niemanden mit diesem Namen erinnern und dachte, es
wäre wieder einer von den unzähligen Typen, die wir irgendwann mal
auf der Straße getroffen haben und die gesagt haben, dass sie uns
mal besuchen kommen. Aber als ich rauskam, war es ein Typ, den wir in
Tamale, wo wir übernachtet haben, getroffen haben. Er kann ein
bisschen deutsch. Peinlich, dass ich seinen Namen vergessen hatte,
aber es war nett, ihn wiederzusehen. Er hat ein bisschen mit mir
gelabert und ich hab ihm gesagt, dass Janina am Schlafen ist. Ich
habe dann noch zugesehen, wie Linanturin T.Z. gekocht hat und bin ihr
ein bisschen zur Hand gegangen. Eigentlich nur beim Fleisch
schneiden. Dabei hat sie mit dem Messer richtig draufgehackt, um die
Knochen zu brechen. Lom sagte, dass wir ganz viel solche Sachen
lernen müssen und wenn er hier wohnen würde, wären wir innerhalb
von einer Woche soweit, dass wir immer für die Familie das Essen
kochen! :D Dan kam und hat mir ein Wasserpäckchen gegeben. Süß,
aber ich hatte gar keinen Durst. Das habe ich Linanturin auf Englisch
gesagt und daraufhin hat Dan das Päckchen wieder an sich genommen
und hat es zurück gebracht. Ich war ganz erstaunt, aber Linanturin
hat gesagt, dass er wohl verstanden hat, was ich gesagt habe, weil er
Englisch in der Schule lernt. Wow, so ein kleiner Stöpsel! :D Der
ist so knuffig! Heute morgen wollte ich den Korb mit den Töpfen
zurück in die Küche bringen, da kam Dan hinter mir hergerannt und
hat ihn mir abgenommen und selbst in die Küche gebracht.^^
Hamilton
(noch ein Sohn von Dada) kam später auch noch zu unserer kleinen
„T.Z.-Runde“ dazu und Janina auch nach einer Weile. Lom musste
dann irgendwann nach Jimbale, einem Nachbardorf, wo er und Dada
geboren sind. Er wollte seine Familie besuchen. Hamilton meinte, dass
einer von uns mitgehen sollte, um das Dorf anzusehen. Das sei wohl
viel ursprünglicher als Bunkpurugu (noch mehr?!) und das „richtige“
ländliche Afrika. Janina wollte, dass ich gehe und ich hatte auch
Lust drauf. So habe ich zwar das T.Z.-Machen verpasst, aber da kippt
man eh nur Maismehl und heißes Wasser zusammen. :P
Hamilton
hat mir einen Helm gebracht und gefragt, ob er mir noch einen Pulli
geben soll. Ich habe gesagt, ist nicht nötig, weil ich selber einen
habe und gefragt, wofür ich den überhaupt bei diesen Temperaturen
brauche! Er meinte, dass sonst mein Oberteil so staubig wird, also
habe ich noch meinen Pulli geholt und hab mich dann hinten auch Loms
Moto gesetzt. Wir sind über den übelsten Trampelpfad durch die
Felder gefahren und er hat mir gezeigt, aus welchen Gräsern man die
Dächer macht.
Nach
einer kurzen Weile kamen wir auf die Hauptstraße und dort ist uns
der eine Reifen geplatzt, als wir über einen Stein gefahren sind,
der wohl doch ein bisschen zu spitz gewesen ist. Da standen wir also
– mitten in den Kapaten und konnten nicht weiter. Ich hatte mein
Handy nicht mit und Lom hatte auf seiner MTN-Karte keine Credits
mehr, nur auf der Vodafone-Karte, aber das hatte hier kein Netz...
Aber zum Glück war nur ein Haus weiter so eine Art Werkstatt und Lom
hat mit noch jemandem das Moto dorthin geschoben. Es stellte sich
dann raus, dass der Mann in dem Haus zwar den Reifen flicken könnte,
aber nicht aufpumpen, er hat nämlich nur eine Fahrradpumpe. Also
haben wir uns auf den Weg zur nächsten Werkstatt gemacht, dabei das
Moto geschoben. Ein Mann kam und hat uns geholfen, indem er
vorsichtig mit dem Moto gefahren ist. Uns hat er sein Fahrrad
überlassen und wir sind damit weitergegangen. Ein anderer Mann kam
und hat gesagt, einer soll mit dem Fahrrad fahren und der andere bei
ihm hinten auf dem Fahrrad mitfahren, er hatte nämlich einen
Gepäckträger. Ich bin lieber selbst gefahren und Lom hat sich
hinten bei dem Mann drauf gesetzt. Ich war schon misstrauisch, weil
der andere Mann einfach so mit dem Moto davon gedüst ist, aber das
war unberechtigt. Als wir bei der „Werkstatt“ ankamen (es war
einfach ein normales Wohnhaus, wo halt der Mann wohnte, der das
reparieren konnte), stand er da schon und hat uns erwartet. Das
Fahrrad war ziemlich klapprig und hat immer nach links gezogen. Es
war also gar nicht so einfach, damit zu fahren, vor allem bei diesen
kaputten Straßen, die teilweise nur aus Sand bestehen! Aber wir
haben es geschafft und Lom hat den Hut vor mir gezogen.^^ Dann wurde
der Reifen geflickt und wir haben uns solange unter den Baum vorm
Haus gesetzt und uns unterhalten. Lom hat mir erzählt, dass er
eigentlich Yennulom heißt. Das bedeutet „Gottes Wille“ oder auch
„Gott ist Liebe“. Die Geschichte dahinter ist, dass bei seiner
Geburt seine Eltern Angst bekommen hätten, weil er weiße Haare
hatte (seine Haut ist auch ganz hell und seine Haare jetzt
hellbraun), aber sein Großvater kam und hat gesagt: „Das ist
Gottes Wille!“ Deswegen haben sie ihm den Namen gegeben. Mit
englischem Namen heißt er Christian oder Chris und ich hab gesagt,
dass mein Bruder denselben Namen hat.^^
Die
Reperatur hat ziemlich lange gedauert und als das Moto endlich fertig
war, war es schon fast ganz dunkel! Wir aber trotzdem weitergefahren.
Als wir in Jimbale ankamen, war es stockdunkel, weil es in dem Dorf
keine Elektrizität gibt. Wir sind zuerst zu dem Haus von Lom's Onkel
und Tante gefahren, aber es war niemand zuhause außer das
Hausmädchen. Wir sind also weiter zu seinem Elternhaus, aber auch da
war niemand da! Aber er hat mir den Raum gezeigt, in dem er geboren
wurde! Der Raum ist der einzige, der seit über 20 Jahren nicht
verändert wurde. Vor dem Haus hat er mir noch die Gräber von seinen
Großeltern gezeigt. Da waren einfach ein großer Steinblock. Er
sagte, es gibt auch Friedhöfe, aber sie wollten sie vor dem Haus
begraben zur Ehrerbietung.
Als
nächstes haben wir bei einer Stelle halt gemacht, wo grade die
Stimmzettel ausgezählt wurden. Das schien ein Riesenspektakel zu
sein, zumindest standen ganz viele Leute drumrum und das war
abgesperrt. Dort haben wir Lom's Cousin Ernest getroffen. Dann gings
weiter zu einer anderen Stelle, wo ausgezählt wurde. Dort war sein
Bruder Sylvester mit beim Auszählen dabei. Er ist der „First-born“
und sein Spitzname ist Sly. Er hatte aber nicht viel Zeit, mit uns zu
reden, weil er bei der Stimmauszählung gebraucht wurde.
Wir
sind also wieder zurück. Zuerst haben wir überlegt, ob wir einen
anderen Weg zurück nehmen, der zwar länger dauert, aber nicht so
kaputt ist wie der Hinweg. Mir war's egal und wir haben dann den
kürzeren wieder genommen. Kurz nachdem wir das Dorf verlassen haben,
stand ein Mann mit seinem Moto am Straßenrand. Sein Licht ist wohl
kaputt gegangen und wir sollten knapp hinter ihm herfahren um ihm zu
leuchten. Ein anderer Mann wollte ihm schon seine Taschenlampe
anbieten, aber ich denke, das wäre nicht die beste Lösung
gewesen... Also sind wir hinter ihm hergefahren und er hat uns den
ganzen Staub ins Gesicht gewirbelt.^^ Aber dafür kannte er die
Straße schon und hat uns quasi auf den geschicktesten Wegen geführt.
Ungefähr
an der Stelle, wo wir vorhin den Platten hatten, hat uns der andere
Mann verlassen. Nach ner Weile kamen wir dann endlich Zuhause an.
Janina war gerade am duschen und wir haben Dada erzählt, was wir
erlebt haben. Ich bin zu Janina und hab ihr auch alles berichtet. Sie
ist mit Hamilton zu den Wahlauszählungen gegangen, aber es war wohl
nicht so spannend. :P
Ich
habe mir die Füße gewaschen, die waren sowas von dreckig! Ich
fühlte mich schon fast ein bisschen ghanaisch, so braun wie die
waren! :D
Ich
habe das fast kalte T.Z. gegessen und währenddessen kam Lom und hat
gesagt, dass er jetzt doch zurück nach Nakpanduri fährt. Ich hab
mich für den verrückten Trip bedankt und er hat gesagt, dass ich
ihm deutsche Schokolade geben soll, die mag er nämlich total gerne!
(Verständlich.) Er hat sich so Mühe gegeben, das auf deutsch zu
sagen, dass ich ihm was von meiner Ritter Sport abgegeben habe.^^ Ich
und Janina mussten dann natürlich auch noch ein Stück essen.
Am
Abend habe ich noch Tagebuch geschrieben, das hat wie zu erwarten
sehr lange gedauert! Ich habe nur an diesem Tag geschrieben und dafür
2 ½ Stunden gebraucht! Aber um 12 hab ich mir dann gedacht, jetzt
reichts, den Rest schreibe ich morgen. :P
Und
das war der 7. Dezember. Die Wahlen hat übrigens der ehemalige
Präsident wieder gewonnen...
Eure
Lisa
Die Schlange im "Wahllokal" |
Die Wahlkabine |
...und -urne |
beim Frisör |
Specki :D |
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