Mittwoch, 29. Mai 2013

Mal eben rüber nach Jirapa

Am 18. Dezember sind wir los nach Jirapa. Wir mussten natürlich wieder um 1 Uhr nachts aufstehen, wie immer, wenn wir verreisen, weil die einzigen zwei Busse, die Bunkpurugu verlassen, um diese Zeit fahren. Mitten in der Nacht stundenlang in der Kälte (ja, wir konnten Kälte verspüren!) an der Busstation zu warten, war natürlich nicht gerade angenehm. Aber das war noch unser kleinstes Problem während dieser Reise. Als wir endlich in Tamale ankamen, wo wir nach Wa umsteigen wollten, fing die Reise an, richtig ungemütlich zu werden. Der Bus fuhr nicht – wie sonst – bis zur Busstation, sondern hat alle Reisenden am Straßenrand mitten in Tamale rausgeschmissen. Na toll. Wie sollten wir jetzt mit unseren schweren Koffern zur Station kommen? Zum Glück saß im Bus eine Frau, die gleich auf uns zukommt und uns ihre Hilfe anbietet. Draußen nimmt eine andere Frau unsere beiden (!) Koffer schon auf den Kopf und geht voran zur Station. Wir mit der hilfsbereiten Mitreisenden hinterher. An der Station geben wir der Koffertragenden ein paar Cedi (das ist nämlich hier so eine Art Job) und sehen uns schon wieder mit dem nächsten Problem konfrontiert. Wir mussten nämlich ein Ticket für den Metro Mass Bus nach Wa besorgen und hatten darum ein Tag vorher versucht, Duston anzurufen, damit er uns die Tickets schonmal kauft. Aber da wir ihn nicht erreichen konnten, haben wir ihm eine SMS geschickt und gehofft, dass es auch so klappen würde. Jetzt stehen wir also hier in Tamale. Zu unserem Erschrecken steht auch schon der Bus nach Wa bereit und das Gepäck wird verladen. Also rufen wir schnell Duston an und fragen, wie es mit den Tickets aussieht. Der meint, dass er die Nachricht zwar gekriegt, uns aber keine Tickets gekauft hat, weil der Bus theoretisch schon weggewesen wäre, wenn wir ankämen. Mist. Ich gehe schnell zum Busfahrer und frage, ob vielleicht noch Tickets übrig sind, aber es gibt nur noch Stehplätze. Nein danke, das wollen wir uns definitiv nicht antun!
Also muss schnell eine andere Lösung her. Ein Trotro ist auch ein Ding mit Rädern und könnte uns doch bestimmt auch bis nach Wa bringen. Also auf zur Trotro-station! Janina wartet an der Metro-Mass-station mit den Koffern, während ich mit Frau Hilfsbereit zur Trotro-station laufe, die zum Glück nicht so weit entfernt liegt. Unterwegs erzählt sie mir ganz nebenbei, dass sie die Mutter von unserem kleinen Dan ist! Da bin ich erstmal baff. Wir haben uns schon immer gefragt, wer die Mutter ist und wo sie lebt. Da läuft also die Lösung des dunklen Rätsels fröhlich neben mir her.
An der Trotro-station wird uns gesagt, dass tatsächlich ein Trotro nach Wa fährt. Also schnell wieder zurück, um Janina und die Koffer abzuholen. Dummerweise haben wir kaum noch Bargeld da. Das bisschen, was wir noch im Portmonnaie haben, würde gerade mal für ein Ticket nach Wa reichen, aber wir müssen ja noch für die Koffer bezahlen, und wie sollte es in Wa ohne Geld weitergehen? Also rufen wir schnell Duston an, damit er uns mit seinem Moto zu einer Bank zum Geldabheben bringen kann und er verspricht, so schnell wie möglich zu kommen. „So schnell wie möglich“ ist in Ghana ein Begriff, der sehr weit ausdehnbar ist. Als nach ein paar Stunden das Trotro schon bereit steht, ist Duston immernoch nicht aufgekreuzt. Wir sitzen schon drin, können aber für das Gepäck nicht bezahlen und deshalb will der Fahrer es auch nicht aufladen, aber ewig kann das Trotro natürlich auch nicht auf uns warten. Ein letzter verzweifelter Anruf an Duston und zum Glück erscheint er kurze Zeit später in der Tür des Trotros mit einem breiten Grinsen im Gesicht und doppelt so viel Geld wie wir eigentlich benötigen in der Hand. Das ist ein Geschenk, sagt er. Er kommt uns in diesem Moment vor wie ein Engel und wir haben uns noch nie so sehr gefreut, ihn zu sehen! :D
Puh, jetzt sitzen wir in einem Trotro nach Wa, jetzt kann doch nichts mehr schiefgehen.
Ha, wie naiv! Es kann noch einiges schiefgehen, wie uns die Weiterreise lehrte.
Mitten in der Pampa gibt das Trotro seinen Geist auf (ist ziemlich normal hier, weil die Trotros einfach so schrottig sind – die wären bei uns nicht mal vor zehn Jahren durch den TÜV gekommen!). Also steigen wir mit den anderen Mitfahrern aus, vertreten uns die Beine und nutzen die Unterbrechung für eine Pinkelpause, während der Fahrer anfängt, am Trotro rumzuwerkeln. Wir stehen auf einer staubigen Landstraße inmitten vom vertrocknetem Busch. Hier und da knistert ein kleiner Buschbrand und die Geräusche von unbekannten Vögeln tönen aus den Bäumen. Durch den aufgewirbelten Staub der Straße und den Rauch der Buschbrände ist die Luft düster und stickig. Die Sonne tut ihr Bestes, um durch die braunrote Schicht zu scheinen, aber dennoch kann man nicht weit sehen und es kommt uns vor wie in der Abenddämmerung, dabei ist es mitten am Tag!
Endlich wird das Trotro irgendwie (vielleicht durch Magie?) wieder in Gang gesetzt und die lustige Fahrt geht weiter. Aber nicht sehr lange, denn im nächsten Dorf wird wieder angehalten. Dort ist angeblich eine Werkstatt. Naja, was hier so alles als Werkstatt bezeichnet werden kann! Ein (fast) leerer Platz an der Straße mit einem zerfallenen Gebäude und ein paar verrosteten Autowracks. Dahinter ein kleines Wäldchen und sonst nichts. Diesmal dauert die Unterbrechung länger. Ein paar der muslimischen Mitreisenden beginnen damit, ihre Gebetsmatten vor dem Gebäude (oder sollte ich sagen: Ruine?) in Richtung Mekka auszubreiten (vermute ich mal), um ihre nachmittäglichen Gebete aufzusagen. Wir rufen solange mal in Jirapa an und sagen Bescheid, dass wir wahrscheinlich etwas später als beabsichtigt ankommen werden. Zwei junge Männer stellen sich an den Straßenrand und versuchen per Anhalter irgendwie weiterzukommen. Aber es rauschen meistens nur Motos vorbei. Währenddessen versucht der professionelle Automechaniker mithilfe von Klopfen mit dem Schraubenschlüssel gegen die Felge des Hinterreifens, das Trotro wieder in Gang zu bringen. Oh Wunder! Nach einer Weile geht es tatsächlich weiter, und zwar grade nachdem wir ein Stoßgebet Richtung Himmel geschickt haben.
Die Weiterfahrt wird zum staubigsten Erlebnis in Ghana (und das will was heißen!). Wir sind über und über mit einer braunen Staubschicht bedeckt und ich beginne schon, den roten Sand auszuhusten. Die Sonne ist verdeckt (wenigstens etwas Gutes) und lässt sich nur noch gelegentlich als rote Kugel durch die kahlen schwarzen Äste der Bäume am Wegesrand blicken.
Als es schon dunkel ist, wird das Trotro noch ein letztes Mal von seinen Lebensgeistern verlassen und wir steigen am Rand einer geteerten Straße aus. Das zeigt, dass wir uns einer größeren Stadt nähern – Wa! Es tut gut, sich die Beine vertreten zu können, weil man in dem Trotro stundenlang in derselben Position festsitzt und sich fast gar nicht rühren kann. Wir setzen uns auf den warmen Asphalt und schauen uns die Sterne an. Wenn sich in der Ferne das Licht von Scheinwerfern blicken lässt, springen wir schnell von der Straße. Nach einer Weile geht es endlich weiter und diesmal ohne weitere Unterbrechung bis nach Wa.
Zum Glück holt uns unser Gastbruder Ephraim von dort aus mit dem Auto ab, denn im Stockdunkeln und um diese Zeit ein Trotro zu finden, dass uns nach Jirapa bugsiert, dürfte sich als schwierig erweisen. Außerdem sind wir komplett geschafft von der Fahrt und ich schlafe auf der gemütlichen (zumindest im Gegensatz zum Trotro) ledernen Sitzbank fast ein. Wäre da nicht die Musik, die ein jeder Ghanaer stets während der Fahrt laufen hat (ich vermute, dass die Autos hier sonst gar nicht erst anspringen). Aber das stört mich mittlerweile gar nicht mehr, ich bin nur froh, dass wir jetzt endlich am Ziel dieser verrückten Reise angekommen sind.
Jirapa empfängt uns mit offenen Armen. Mit einer Dusche, einem Bett und etwas zu Essen, dass die anderen extra für uns übrig gelassen haben, denn die Abendessenszeit ist längst vorbei. 22 Stunden hat dieser Mördertrip gedauert (so wird er jetzt immer heißen), aber Gott sei dank (wortwörtlich) sind wir heil in Jirapa angekommen!

Eure Lisa

das nenne ich mal Frauen-Power!

knapp, aber passt schon^^

bei der "Werkstatt"

unser Trotro wird repariert bzw. zusammengeflickt

meine Position für ca. 8 Stunden

Sonnenuntergang mitten im Busch

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