Am
18. Dezember sind wir los nach Jirapa. Wir mussten natürlich wieder
um 1 Uhr nachts aufstehen, wie immer, wenn wir verreisen, weil die
einzigen zwei Busse, die Bunkpurugu verlassen, um diese Zeit fahren.
Mitten in der Nacht stundenlang in der Kälte (ja, wir konnten Kälte
verspüren!) an der Busstation zu warten, war natürlich nicht gerade
angenehm. Aber das war noch unser kleinstes Problem während dieser
Reise. Als wir endlich in Tamale ankamen, wo wir nach Wa umsteigen
wollten, fing die Reise an, richtig ungemütlich
zu werden. Der Bus fuhr nicht – wie sonst – bis zur Busstation,
sondern hat alle Reisenden am Straßenrand mitten in Tamale
rausgeschmissen. Na toll. Wie sollten wir jetzt mit unseren schweren
Koffern zur Station kommen? Zum Glück saß im Bus eine Frau, die
gleich auf uns zukommt und uns ihre Hilfe anbietet. Draußen nimmt
eine andere Frau unsere beiden (!) Koffer schon auf den Kopf und geht
voran zur Station. Wir mit der hilfsbereiten Mitreisenden hinterher.
An der Station geben wir der Koffertragenden ein paar Cedi (das ist
nämlich hier so eine Art Job) und sehen uns schon wieder mit dem
nächsten Problem konfrontiert. Wir mussten nämlich ein Ticket für
den Metro Mass Bus nach Wa besorgen und hatten darum ein Tag vorher
versucht, Duston anzurufen, damit er uns die Tickets schonmal kauft.
Aber da wir ihn nicht erreichen konnten, haben wir ihm eine SMS
geschickt und gehofft, dass es auch so klappen würde. Jetzt stehen
wir also hier in Tamale. Zu unserem Erschrecken steht auch schon der
Bus nach Wa bereit und das Gepäck wird verladen. Also rufen wir
schnell Duston an und fragen, wie es mit den Tickets aussieht. Der
meint, dass er die Nachricht zwar gekriegt, uns aber keine Tickets
gekauft hat, weil der Bus theoretisch schon
weggewesen wäre, wenn wir ankämen. Mist. Ich gehe schnell zum
Busfahrer und frage, ob vielleicht noch Tickets übrig sind, aber es
gibt nur noch Stehplätze. Nein danke, das wollen wir uns definitiv
nicht antun!
Also
muss schnell eine andere Lösung her. Ein Trotro ist auch ein Ding
mit Rädern und könnte uns doch bestimmt auch bis nach Wa bringen.
Also auf zur Trotro-station! Janina wartet an der Metro-Mass-station
mit den Koffern, während ich mit Frau Hilfsbereit zur Trotro-station
laufe, die zum Glück nicht so weit entfernt liegt. Unterwegs erzählt
sie mir ganz nebenbei, dass sie die Mutter von unserem kleinen Dan
ist! Da bin ich erstmal baff. Wir haben uns schon immer gefragt, wer
die Mutter ist und wo sie lebt. Da läuft also die Lösung des
dunklen Rätsels fröhlich neben mir her.
An
der Trotro-station wird uns gesagt, dass tatsächlich ein Trotro nach
Wa fährt. Also schnell wieder zurück, um Janina und die Koffer
abzuholen. Dummerweise haben wir kaum noch Bargeld da. Das bisschen,
was wir noch im Portmonnaie haben, würde gerade mal für ein Ticket
nach Wa reichen, aber wir müssen ja noch für die Koffer bezahlen,
und wie sollte es in Wa ohne Geld weitergehen? Also rufen wir schnell
Duston an, damit er uns mit seinem Moto zu einer Bank zum Geldabheben
bringen kann und er verspricht, so schnell wie möglich zu kommen.
„So schnell wie möglich“ ist in Ghana ein Begriff, der sehr
weit ausdehnbar ist. Als nach ein paar Stunden das Trotro schon
bereit steht, ist Duston immernoch nicht aufgekreuzt. Wir sitzen
schon drin, können aber für das Gepäck nicht bezahlen und deshalb
will der Fahrer es auch nicht aufladen, aber ewig kann das Trotro
natürlich auch nicht auf uns warten. Ein letzter verzweifelter Anruf
an Duston und zum Glück erscheint er kurze Zeit später in der Tür
des Trotros mit einem breiten Grinsen im Gesicht und doppelt so viel
Geld wie wir eigentlich benötigen in der Hand. Das ist ein Geschenk,
sagt er. Er kommt uns in diesem Moment vor wie ein Engel und wir
haben uns noch nie so sehr gefreut, ihn zu sehen! :D
Puh,
jetzt sitzen wir in einem Trotro nach Wa, jetzt kann doch nichts mehr
schiefgehen.
Ha,
wie naiv! Es kann noch einiges schiefgehen, wie uns die Weiterreise
lehrte.
Mitten
in der Pampa gibt das Trotro seinen Geist auf (ist ziemlich normal
hier, weil die Trotros einfach so schrottig sind – die wären bei
uns nicht mal vor zehn Jahren durch den TÜV gekommen!). Also steigen
wir mit den anderen Mitfahrern aus, vertreten uns die Beine und
nutzen die Unterbrechung für eine Pinkelpause, während der Fahrer
anfängt, am Trotro rumzuwerkeln. Wir stehen auf einer staubigen
Landstraße inmitten vom vertrocknetem Busch. Hier und da knistert
ein kleiner Buschbrand und die Geräusche von unbekannten Vögeln
tönen aus den Bäumen. Durch den aufgewirbelten Staub der Straße
und den Rauch der Buschbrände ist die Luft düster und stickig. Die
Sonne tut ihr Bestes, um durch die braunrote Schicht zu scheinen,
aber dennoch kann man nicht weit sehen und es kommt uns vor wie in
der Abenddämmerung, dabei ist es mitten am Tag!
Endlich wird das Trotro irgendwie
(vielleicht durch Magie?) wieder in Gang gesetzt und die lustige
Fahrt geht weiter. Aber nicht sehr lange, denn im nächsten Dorf wird
wieder angehalten. Dort ist angeblich eine Werkstatt. Naja, was hier
so alles als Werkstatt bezeichnet werden kann! Ein (fast) leerer
Platz an der Straße mit einem zerfallenen Gebäude und ein paar
verrosteten Autowracks. Dahinter ein kleines Wäldchen und sonst
nichts. Diesmal dauert die Unterbrechung länger. Ein paar der
muslimischen Mitreisenden beginnen damit, ihre Gebetsmatten vor dem
Gebäude (oder sollte ich sagen: Ruine?) in Richtung Mekka
auszubreiten (vermute ich mal), um ihre nachmittäglichen Gebete
aufzusagen. Wir rufen solange mal in Jirapa an und sagen Bescheid,
dass wir wahrscheinlich etwas
später als beabsichtigt ankommen werden. Zwei junge Männer stellen
sich an den Straßenrand und versuchen per Anhalter irgendwie
weiterzukommen. Aber es rauschen meistens nur Motos vorbei.
Währenddessen versucht der professionelle Automechaniker mithilfe
von Klopfen mit dem Schraubenschlüssel gegen die Felge des
Hinterreifens, das Trotro wieder in Gang zu bringen. Oh Wunder! Nach
einer Weile geht es tatsächlich weiter, und zwar grade nachdem wir
ein Stoßgebet Richtung Himmel geschickt haben.
Die Weiterfahrt
wird zum staubigsten Erlebnis in Ghana (und das will was heißen!).
Wir sind über und über mit einer braunen Staubschicht bedeckt und
ich beginne schon, den roten Sand auszuhusten. Die Sonne ist verdeckt
(wenigstens etwas Gutes) und lässt sich nur noch gelegentlich als
rote Kugel durch die kahlen schwarzen Äste der Bäume am Wegesrand
blicken.
Als es schon dunkel
ist, wird das Trotro noch ein letztes Mal von seinen Lebensgeistern
verlassen und wir steigen am Rand einer geteerten Straße aus. Das
zeigt, dass wir uns einer größeren Stadt nähern – Wa! Es tut
gut, sich die Beine vertreten zu können, weil man in dem Trotro
stundenlang in derselben Position festsitzt und sich fast gar nicht
rühren kann. Wir setzen uns auf den warmen Asphalt und schauen uns
die Sterne an. Wenn sich in der Ferne das Licht von Scheinwerfern
blicken lässt, springen wir schnell von der Straße. Nach einer
Weile geht es endlich weiter und diesmal ohne weitere Unterbrechung
bis nach Wa.
Zum Glück holt uns
unser Gastbruder Ephraim von dort aus mit dem Auto ab, denn im
Stockdunkeln und um diese Zeit ein Trotro zu finden, dass uns nach
Jirapa bugsiert, dürfte sich als schwierig erweisen. Außerdem sind
wir komplett geschafft von der Fahrt und ich schlafe auf der
gemütlichen (zumindest im Gegensatz zum Trotro) ledernen Sitzbank
fast ein. Wäre da nicht die Musik, die ein jeder Ghanaer stets
während der Fahrt laufen hat (ich vermute, dass die Autos hier sonst
gar nicht erst anspringen). Aber das stört mich mittlerweile gar
nicht mehr, ich bin nur froh, dass wir jetzt endlich am Ziel dieser
verrückten Reise angekommen sind.
Jirapa empfängt
uns mit offenen Armen. Mit einer Dusche, einem Bett und etwas zu
Essen, dass die anderen extra für uns übrig gelassen haben, denn
die Abendessenszeit ist längst vorbei. 22 Stunden hat dieser
Mördertrip gedauert (so wird er jetzt immer heißen), aber Gott sei
dank (wortwörtlich) sind wir heil in Jirapa angekommen!
Eure Lisa
Eure Lisa
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