Montag, 1. Oktober 2012

Die Reise

Es fing am Frankfurter Flughafen an. Als wir endlich am Check-in von Turkish Airlines ankamen, standen da auch schon die anderen Freiwilligen, die ich ja schon vom Vorbereitungsseminar kannte. Am Schalter hat uns dann die Damegesagt, dass mein Ticket mit meinem Spitznamen gebucht wurde. Wir mussten dann den Namen für 50 € ändern (wobei mein Name danach immer noch falsch geschrieben war, aber egal). Wir haben uns dann alle von unseren Familien verabschiedet und sind dann durch die Kontrollen. Ich bin zum Glück ohne Probleme durchgekommen, nichts hat gepiepst. ;)
Zusammen haben wir dann das Gate gesucht. Im Warteraum saßen vereinzelt ein paar Leute, aber sonst war es ziemlich leer. Wir haben uns hingesetzt und gewartet. Tja, es stellte sich heraus, dass wir schon längst hätten ins Flugzeug steigen können! Wir waren schon ziemlich spät dran, also haben uns die Frauen am Schalter einfach schnell durchgewunken. Mich konnten sie nicht boarden, was wahrscheinlich mit der Namensänderung zu tun hatte, aber sie haben mich trotzdem einfach durchgelassen, damit ich noch den Flug kriege.
Im Flugzeug hatte ich zum Glück einen Fensterplatz und wir saßen alle in einer Reihe. In Istanbul hatten wir 4 Stunden Aufenthalt, konnten aber leider das Flughafengebäude nicht verlassen, sonst hätte ich mir gerne noch die Stadt angesehen. So mussten wir uns halt mit der Aussicht über die Landebahnen hinweg begnügen. Gut, dass wir in einer Gruppe gereist sind. Ich weiß nicht, ob ich alles so problemlos hingekriegt hätte, wenn ich allein gewesen wäre! Und die anderen sind supernett. Die meisten kenne ich schon vom Vorbereitungsseminar und wir verstehen uns alle gut. :)
Von Istanbul ging es weiter nach Accra, das ist die Hauptstadt Ghanas. Der Flug war sehr komfortabel und man hat sogar Kopfhörer, Schlafmasken und Socken (!) usw. geschenkt bekommen! :P
Als wir dann endlich nach 13 Stunden in Accra ankamen, waren wir alle natürlich sehr aufgeregt! Wir betraten das erste Mal das Land, in dem wir das gesamte nächste Jahr verbringen würden!
Bei der Gepäckrückgabe musste ich leider feststellen, dass meine beiden (!) Koffer verschwunden waren, ich stand also ohne Gepäck da. Von den anderen war zum Glück alles da. Nach einigem Rumgesuche und -gefrage habe ich dann mithilfe von Daniel Ayembilla (den die anderen inzwischen gefunden hatten) ein Formular ausgefüllt. Daniel ist unser „Dada“ hier, also zunächst unser Gastvater und für uns zuständig. Er ist Pastor in Jirapa, wo das Waisenhaus von Kinderhilfe Westafrika und Firm Lifeline Ministries steht und wo auch einige von uns hingehen werden. Ich werde ihn im Folgenden einfach Dada nennen, weil wir ihn auch so genannt haben. Wir haben ja auch einen Daniel ind er Truppe und so kommt es nicht zu Verwechslungen.
Wir sind dann mit den anderen und Elisa, einer Freiwilligen, die schon ein Jahr hier war und jetzt für ein weiteres Jahr verlängert hat, zu den Taxis gegangen. Die Luft draußen war ein bisschen feucht, aber sonst war das Klima mit 26 °C an diesem Abend ganz angenehm. Wir haben das Gepäck mehr oder weniger ordentlich in den Taxis verstaut. Da musste halt schon mal ein Seil hinhalten um den Kofferraum zuzukriegen!
Weiter gings mit einer abenteuerlichen Fahrt durch die Stadt, vorbei an Wellblechhütten, Villen hinter hohen Mauern, Werbetafeln und Palmen bis zu dem Hotel, in dem wir diese Nacht verbringen sollten. Überall auf dem Weg sah man Schilder mit „JESUS CARES“ oder „GHANA PRAY FOR JOY“ oder so ähnliches. Scheinen hier alle ziemlich religiös zu sein, was man auch daran merken konnte, dass nach der Landung einige Frauen im Flugzeug zu singen anfingen und eine Frau laut gebetet hat, während die Stewardess noch irgendwas von „Bitte erst abschnallen, wenn das Flugzeug den Stillstand erreicht hat!“ geredet hat und dass sogar auf den Taxis hinten ein Jesusbildnis auf den Scheiben klebt.
Während der Fahrt hat der Taxifahrer natürlich laut Musik gehört, die auch an allen Straßenecken
zu hören war. Er beschimpfte lauthals einen anderen Taxifahrer, dem er beinahe reingefahren wäre, weil er den Rückwärtsgang mit dem Vorwärtsgang verwechselt hatte, fuhr rasend durch rote Ampeln und war fast durchgängig am hupen, so wie alle Autofahrer hier. Man könnte meinen, die hupen zum Gruß oder einfach weil es so Spaß macht. :D Also alles ein bisschen anders als in Deutschland!
Unsere Unterkunft für diese Nacht war sehr einfach, wir hatten leider keine Moskitonetze, aber dafür einen Ventilator (wichtig!) im Zimmer. Und ganz selbstverständlich einen Fernseher, der angemacht wurde, sobald wir das Zimmer betreten hatten! :D
Am nächsten Morgen haben wir mit Dada gefrühstückt, der sich im Namenlernen geübt hat. Daniels Namen kann er sich natürlich gut merken und meinen auch, weil seine Frau Elizabeth heißt. :D
Man merkt sofort, dass hier sehr viel Wert auf Beziehungen gelegt wird. Dada hat nach dem Namen von den Frauen, die uns bedient haben, gefragt und mit ihnen geredet, als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen.
Nach dem Frühstück, dass laut Daniel ganz entgegen den Traditionen mit viel Reden verbracht wurde, sind wir auf die Zimmer gegangen und haben uns ausgeruht. Der Schlafmangel steckte noch in unseren Knochen und außerdem sagte Daniel, dass wir heute Abend nach Jirapa fahren und erst morgen früh da ankämen. Wir sollten also so viel Schlaf sammeln, wie wir könnten.
Wir sind alle zusammen mit Dada, Elisa und noch einer Freiwilligen Essen gegangen. Es ging erstmal ungefähr fünf Minuten durch die Stadt, was sehr aufregend war. Hier ist alles ganz anders als in Deutschland (natürlich)! Alles ist laut und voll und es stinkt, weil überall Müll rumliegt. Am Straßenrand stehen ganz viele Buden, die aussehen, als hätte sie irgendwer notdürftig zusammengezimmert. Man kann hier wirklich alles am Straßenrand kaufen. Alle halten dir irgendetwas unter die Nase, meistens Handys, aber auch Hosen oder Gebäck oder Mentos oder Speicherkarten oder, oder, oder...
Ein kleines Kind hat mit offenem Mund auf uns gezeigt. Hat scheinbar noch nie einen Weißen gesehen. Das hat mich ein wenig gewundert, weil wir hier ja in der Hauptstadt sind und am Flughafen verhältnismäßig viele Weiße rumliefen. Aber ich kann mir vorstellen, dass die sich normalerweise nicht in diese Gegend verirren. Außer wir.
Wir wurden ständig an den Arm gefasst, vor allem wir Mädchen und uns wurde hinterher gerufen. „White Lady“ oder sowas ähnliches und einmal habe ich „Bruni“ verstanden, was „Weiße/r“ heißt, das wurde uns schon auf dem Vorbereitungsseminar beigebracht.
Es ging vorbei an den ganzen Buden über einen durch und durch vermüllten Platz. Dann über eine Brücke, die über einen dermaßen verdreckten Fluss führte, wie ich es noch nie gesehen habe. Es stank wirklich widerlich und der ganze Fluss war voll mit Müll. Es lag so ein Film auf der Wasseroberfläche und sogar ein Ziegenkadaver lag darin. Trotzdem standen am Ufer ein paar Rinder und auf der Brücke lagen ein paar Menschen und auch Kinder, die schliefen. Echt krass, in was für Verhältnissen die Menschen hier leben! Auf der anderen Seite kamen wir an eine große Straße, an der auch auf dem schmalen Bürgersteig Buden standen. Wir gingen daran vorbei bis zu einem kleinen Restaurant.
Es gab verschiedene Arten von Reis und noch einiges anderes. Ich habe mir Jollof Rice mit Salat bestellt. Der Reis war schon mit Sauce vermischt und mit ein bisschen Gemüse. Es war sehr scharf, aber nicht schlecht und der Salat war echt lecker. Dazu haben wir eine Tüte mit 0,5 L Wasser bekommen. Das ist eine lustige Art zu trinken, man muss eine Ecke mit den Zähnen abreißen und dann daraus trinken. Man kann die Tüte dann einfach hinstellen, ohne dass sie umkippt, wenn man es nicht gerade ungeschickt anstellt. ;)
Am Hotel haben wir noch ein bisschen ausgeruht und sind dann mit dem Gepäck zusammen zum Bahnhof gegangen. Überall liefen Leute rum, die alles Mögliche auf dem Kopf trugen, was man kaufen konnte, von Sonnenbrillenständern über Zahnbürsten, Broten, Büchern, bin hin zu Medikamenten. Einer trug sogar einen Schuh auf dem Kopf, weil er die verkaufte und alle machten seltsame Geräusche, um auf sich aufmerksam zu machen. Die ganze Zeit lief Musik am Bahnhof und irgendwo stand ein Fernseher, der einen afrikanischen Film zeigte. Für uns wurden extra Plastikstühle aufgestellt, damit wir uns setzen konnten. Im Nachhinein war das echt gut, weil wir ungefähr drei Stunden auf unseren Bus gewartet haben. Die Dämmerung war nur kurz, man guckt kurz weg und schon ist es dunkel. :D Wir haben uns die ganze Zeit im Kreis unterhalten und haben ein süßes ghanaisches Brot mit Rosinen gegessen, das Dada uns gebracht hatte. Das hatte eine seltsame Konsistenz (ein bisschen wie Schaumstoff), war aber lecker.
Als der Bus endlich ankam, haben wir uns nach vorne gesetzt. Der Bus hatte auch Polizeischutz, d.h. Ein Mann mit Gewehr saß vorne beim Fahrer. Wir haben versucht, die 11 Stunden lange Fahrt über zu schlafen, aber das war gar nicht so einfach, weil die ganze Zeit Musik bzw. ein afrikanischer Film lief und die Straße ziemlich kaputt war, es hat also immer geruckelt. Außerdem hat es unser Busfahrer sich nicht nehmen lassen, bei jeder Gelegenheit zu hupen, das war ziemlich laut.
Am nächsten Morgen kamen wir dann in Wa an, wo wir auf Dadas ältesten Sohn Ephraim gewartet haben, der uns von da aus nach Jirapa fahren sollte. Wir bekamen von Dada eine Cola spendiert und haben uns am Bahnhof wieder auf Plastikstühle gesetzt. Aufs Klo sind wir auch gegangen, das war sehr ekelig. Die „Toiletten“ waren einfach nur ein Betonboden, der mit Brettern und Wellblech abgetrennt war. Natürlich stank es dementsprechend widerlich. Aber man nimmt, was man kriegen kann. :P
Irgendwann kam dann Ephraim und wir haben das Gepäck in das Auto gepackt. Es passte gerade so und auch nur, wenn man noch einiges auf den Schoß nahm. Wäre mein Gepäck auch da gewesen, hätten wir wahrscheinlich zweimal fahren müssen. Es war ziemlich gequetscht und bei jedem Huppel flog das Gepäck über die Rückbank. Wir sind nur auf einer einzigen langen Straße gefahren, die durch viele Dörfer führte. In jedem Dorf und auch oft dazwischen gab es kleine Hügel, die über die ganze Breite der Straße gingen und vor denen man immer fast bis zum Stillstand abbremsen musste um das Auto mehr oder weniger sanft darüber fahren zu lassen. Es war trotzdem immer am rumpeln und wackeln, sodass die auf der Rückbank fast von den Koffern erschlagen wurden und diese nach jedem dieser Hügel wieder nach hinten drücken mussten. Auf der Straße liefen ganz viele Tiere rum, Ziegen, Schweine, Katzen und Hunde... Die sind ganz gechillt gelaufen, ohne sich darum zu scheren, dass da grade ein Auto kam, dass sie vielleicht töten könnte! Aber Ephraim hat immer netterweise abgebremst und die Tiere haben es trotz ihrer afrikanischen Entspanntheit alle überlebt. ;)
Nach ungefähr vierzig Minuten kamen wir in Jirapa an und wurden erstmal herzlich von Dadas Frau Elizabeth (die wir Mama nennen) willkommen geheißen. Auch alle anderen, denen wir dort begegnet sind haben uns „You're welcome!“ gesagt. Dada und Mama haben insgesamt vier Söhne, aber keine Töchter. Aber die beiden sagen, dass alle Angestellten auch zur Familie gehören und wir jetzt auch deren Kinder sind. Also wird die Familie immer größer. :D
Wir haben uns ins Wohnzimmer auf die Sofas gesetzt und erstmal jeder eine Tüte Wasser bekommen. Dada hat uns erklärt, dass das so üblich ist. Zuerst werden die Gäste begrüßt, man bittet sie, sich zu setzen, gibt ihnen zu Trinken und dann kann man sich um alles andere kümmern, was es zu bereden gibt.
Jetzt waren wir also endlich angekommen aber längst noch nicht am Ende unserer Reise. Bis wir auf die einzelnen Städte bzw. Projekte aufgeteilt wurden, hatten wir hier in Jirapa noch ein Einführungsseminar, wo wir noch viel Zeit mit den anderen und auch mit der Familie verbringen konnten.

Eure Lisa

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